Philomena Franz

EDUromnja stellt Philomena Franz vor (Aufbewahren von Erinnerungen)

Wir freuen uns, Philomena Franz, eine der bedeutendsten Zeitzeuginnen, in unserem Virtuellen Museum und Dokumentationszentrum vorstellen zu dürfen.

Ich bin mit sieben Geschwistern in einer Musikerfamilie aufgewachsen. Mein Vater, Johann Köhler, war Cellist, meine Mutter Sängerin. Das Streichquartett, in dem Johannes Haag Cello spielte, hatte 1906 als Sieger eines internationalen Wettbewerbs die „Goldene Rose" aus der Hand des württembergischen Königs Wilhelm II erhalten. Das Leben meiner Familie war eng verbunden mit der Region Hohenzollern.

Die Familie lebte in Rohrdorf, einem Dorf bei Meßkirch in Oberschwaben, bis wir 1935 oder 1937 unser Haus verkauften und nach Bad Cannstatt zogen, wo unsere große Familie ein Haus erwarb. Bis 1938 hatte meine Familie Auftritte u. a. in der Liederhalle Stuttgart, im Lido und auch im Wintergarten Berlin.1938 musste ich wegen meiner „rassischen" Zugehörigkeit die Mädchenoberschule in Stuttgart verlassen. Nachdem 1939 der „Festsetzungserlass“ gegen „Zigeuner“ in Kraft getreten war, wurden die Mitglieder meiner Familie erkennungsdienstlich erfasst und durften ihren Wohnort nicht mehr verlassen. Meiner Familie wurden bei einer Rückreise von Paris ihr Auto und alle Musikinstrumente abgenommen. Es war somit unmöglich geworden, den bisherigen Beruf weiter auszuüben. Ich selbst war bei der Stuttgarter Firma Haga beschäftigt. Von diesem Arbeitsplatz aus wurde ich deportiert. Im Zigeunerlager Auschwitz-Birkenau wurde ich am 21. April 1944 mit der Häftlingsnummer Z 10.550 unter meinem Mädchennamen registriert und am 25. Mai 1944 weitertransportiert.?Im Mai/Juni 1944 wurde ich in das KZ Ravensbrück eingeliefert und dort unter der Nummer 40.307 registriert. Im Porajmos wurden meine Eltern, Onkel, Neffen, Nichten und fünf meiner sieben Geschwister ermordet. Einer meiner überlebenden Brüder leistete Kriegsdienst in der Wehrmacht, bevor er verhaftet wurde. Nach der Befreiung trat ich mit meinem späteren Mann und meinem Bruder wieder in Offizierkasinos der US-Streitkräfte und bei Veranstaltungen in Ansbach und in Tübingen auf. In der Nachkriegszeit wurde ich zur Zeitzeugin und Autorin.

Mein erstes Buch erschien 1982 unter dem Titel Zigeunermärchen. Das mehrfach aufgelegte Kinderbuch enthält nicht nur erzählte Märchen, sondern hat zugleich den Anspruch, in Sitten und Gebräuche meines Volkes einzuführen. Mein zweites Buch Zwischen Liebe und Hass, Ein Zigeunerleben (1985) beinhaltet meine Biographie. Der unbeschwerten Jugend folgt das NS- Regime mit Schulverbot, Zwangsarbeit und Deportation meiner Familienmitglieder. Geschildert wird meine Zeit in Auschwitz sowie das „Weiterleben nach dem Nullpunkt“. Es ist eines der ersten Bücher von Überlebenden des Porajmos. In meiner Rolle als Zeitzeugin bin ich oft in Bildungseinrichtungen und Medien aktiv, sehr häufig in Schulen, aber auch in Talkshows und Radiosendungen. Mein ältester Sohn hatte Anfang der 1960-er Jahre Diskriminierungserfahrungen in einer Kölner Schule. Von Mitschülern wurde er als „Du dreckiger Zigeuner" bezeichnet. Ich habe überlebt und nun die Verantwortung, meine Erfahrungen als Opfer der NS-Verfolgung weiterzuvermitteln. Als gläubige Christin bin ich überzeugt, dass Gott mich überleben ließ, damit ich über die Gräueltaten berichten kann.?Ich habe mehrere Auszeichnungen erhalten wie das Bundesverdienstkreuz am Bande im Jahre 1995, und im Jahre 2001 wurde ich von der Europäischen Bewegung Deutschland mit dem Preis „Frauen Europas Deutschland 2001“ ausgezeichnet, zudem habe ich im Jahre 2013 den Verdienstorden des Landes NRW erhalten.

Meine Publikationen sind:
  • Zigeunermärchen, Europa-Union-Verlag, Bonn 1982., 3. Auflage, Taschenbuch 1989
  • Zwischen Liebe und Hass. Ein Zigeunerleben, Herder: Freiburg im Breisgau 1985, mehrere Auflagen; Neuausgabe: Books on Demand, Norderstedt 2001, ISBN 3-8311-1619-9
  • Tragen wir einen Blütenzweig im Herzen, so wird sich immer wieder ein Singvogel darauf niederlassen, Books on Demand, Norderstedt 2012

Ceija Stojka

* 23.05.1933; † 28.01.2013

EDUromnja stellt Ceija Stojka vor

Autorin: Gilda Horvath

Ceija Stojka, die Romni, Holocaust-Überlebende und Künstlerin ist 2013 im Alter von 79 Jahren im Kreise ihrer Familie gestorben. Mit Ceija Stojka ist ein Beispiel der Aufklärung, der Zivilcourage – und eine der letzten Zeitzeugeninnen Österreichs von uns gegangen. Sie hat das Unaussprechbare in Worte gefasst, in Bildern festgehalten. Ihr Leben und ihr Werk bleiben ein ständiger Aufruf gegen das Vergessen. „Wir leben im Verborgenen“ Die Leitfigur der österreichischen Roma-Community war durch ihr Engagement im Kampf gegen das Vergessen bekannt geworden. Sie hatte 1988 mit der Veröffentlichung ihres ersten Buches „Wir leben im Verborgenen“ das jahrzehntelange Schweigen der Roma über den Holocaust gebrochen. Der Titel des Buches wurde im Laufe der Jahre Synonym für die Situation der autochthonen Roma, besonders der Lovara. Das Werk sorgte im gesamten deutschsprachigen Raum für Aufsehen. Ab 1988 wurden Ceija Stojkas Bilder in zahlreichen Ausstellungen in Osterreich, Deutschland, Polen, Schweiz, Japan und in den USA gezeigt. Manche Roma kritisierten Ceija Stojka für ihren Schritt in die Öffentlichkeit. Sie hatten Angst es würde wieder eine Welle des Hasses über sie herein brechen, wenn jemand von „ihnen“ den Mund aufmacht. Die überwältigende Mehrheit aber liebte Ceija, verehrte sie - für ihren Mut, ihre Kraft, ihre Güte.

„Ich habe angefangen in die Öffentlichkeit zu gehen, weil ich wütend war.“, erzählte sie in einem langen Interview. „Wie sie uns Rom hingestellt haben im Fernsehen und Reportagen und im Allgemeinen, so wie Menschen zweiter Klasse. Ich wollte, dass die Menschen die Wahrheit erfahren und nicht vergessen, was passiert ist. Dort ... in Auschwitz, in Bergen-Belsen, in Ravensbrück.“ Am 15. April 1945 war sie befreit worden. Sie hatte überlebt – sowie ihre Brüder Mongo und Karl Stojka. Sie mussten mit ansehen, wie ihre ganze Familie ermordet wurde. Erinnerungen: Ceija Stojka hatte daher viel zu erzählen - und ihr wurde zugehört. Obwohl sie selbst zugab, dass sie niemals die Absicht gehabt hatte jemals wieder „darüber“ zu sprechen. Als sie dann doch ihre Stimme erhob konnte sich niemand ihren präzisen Erinnerungen entziehen: "Nun fuhren sie uns in die Roßauer Lände, in das Gefängnis. Die kleinen Kinder weinten, wir hatten ja kaum etwas an. Ich könnte dies nicht ein zweites Mal erzählen, denn in meinen Gedanken erlebe ich jetzt alles, als wäre es gestern passiert. Wenn ich alle meine Gedanken niederschreiben könnte, wäre dies sicher ein endloses Buch der Leiden. Doch meine Gedanken laufen schneller, als meine Hände alles zu Papier bringen können.“ Ansuchen um so genannte „Wiedergutmachungszahlungen“ wurden von Beamten in der Nachkriegszeit belächelt und zumeist mit fadenscheinigen Argumenten verschleppt, wie Ceija erzählte: “Sie haben mir nicht geglaubt, was uns passiert ist. Ich habe ihnen die eintätowierte Nummer „Z 6399“ auf meinem Arm gezeigt, aber der Beamte hat mich nur ungläubig angeschaut.“

Oberwart:

1995 gab es einen lauten Knall. 4 Tote Roma. Fast hätte dieser Knall wieder alle zum schweigen gebracht. Nach dem Attentat in Oberwart zogen sich viele Roma aus der Öffentlichkeit zurück. Angst lag in der Luft. Doch Ceija verstummte nicht. Im Gegenteil. Von nun an verstärkte sie ihre Anstrengungen die Erinnerung an den Holocaust zu erhalten. Über die Jahre hinweg bewegte sie die Herzen unzähliger Menschen. In ihren Workshops mit Christa Stippinger (Verein/Edition Exil) im Amerlinghaus erzählte sie zahllosen SchülerInnen was sie im Nationalsozialismus erlebt und erlitten hat. Sie erzählte vom unfassbaren Schrecken mit Würde, mit Ruhe, mit Liebe – und immer ohne einen Vorwurf. Für sie war klar was zählt: „Es geht nicht um Schuld – es geht darum Verantwortung zu übernehmen.“ Mit Ceija geht aber auch wieder ein Teil der starken und ehrenwerten Familie Stojka. Angesichts wieder zunehmender Ressentiments gegen Roma und Sinti hätte Ceija sicher ein paar wärmende Worte für uns gehabt. Vielleicht wären es diese gewesen:

Ceija Stojka, Gedicht: Unsere Erde
„Ich bin die Erde, Ich gebe euch Leben
Auf mir wachsen Bäume verschiedenster Art.
Ich gebe euch Zukunft und Hoffnung dazu
und ihr seid aus mir selbst.
Könnt ihr dies verstehen?
Also lasst mich in Frieden und zerstört mich nicht,
denn die Macht meiner Erde mein Wasser und mein Blut
ist stärker als du denkst
du Mensch.“

Auszug Auszeichnungen:

2000 "Josef-Felder-Preis für Gemeinwohl und Zivilcourage" der bayrischen SPD
2001 das Goldene Verdienstkreuz des Landes Wien,
2004 die Humanitätsmedaille der Stadt Linz,
2005 das Goldene Verdienstzeichen des Landes Oberösterreich,
2006 den Fernsehpreises der Erwachsenenbildung,
2009 von Kulturministerin Claudia Schmied mit dem Berufstitel Professorin geehrt

Film:

Ceija Stojka: Das Porträt einer Romni, 2001 (Regie: Karin Berger)
Unter den Brettern hellgrünes Gras, 2005 (Regie: Karin Berger)

Literatur:

2008 „Auschwitz ist mein Mantel“ mit Bildern und Texten, Verlag edition exil, Wien
2003 „Meine Wahl zu schreiben – ich kann es nicht.“ Verlag Eye, Landeck,
2005 „Träume ich, dass ich lebe?“, Picus Verlag,
1992 „Reisende auf dieser Welt“, Picus Verlag
1988 „Wir leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin“

Audio CD:

2000 Me Diklem Suno
2005 Träume ich, dass ich lebe? Befreit aus Bergen-Belsen

Hildegard Lagrenne

* 1921; † 29. März 2007

EDUromnja stellt Hildegard Lagrenne vor (Aufbewahren von Erinnerungen)

Wir freuen uns, Hildegard Lagrenne in unserem Virtuellen Museum und Dokumentationszentrum vorstellen zu dürfen.

Aufgewachsen im Rheinland, wurde ich im Mai 1940 mit meiner Familie und weiteren Sinti- und Roma-Familien in ein Konzentrationslager im nationalsozialistisch besetzten Polen deportiert. Nach der Befreiung zog ich mit überlebenden Familienangehörigen, darunter meine beide Brüder, nach Mannheim. Das von Michail Krausnick herausgegebene Buch „Da wollten wir frei sein!“ enthält u. a. Schilderungen und Erlebnisberichte aus meinem Leben.

Aufgrund von Veröffentlichungen und zahlreichen Gesprächen mit Journalisten und meiner Informationsarbeit in Schulen, bei Jugendgruppen und öffentlichen Veranstaltungen wurde ich zu einer überregional bekannten Persönlichkeit der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma, die ich mitgeprägt habe. Ich bin immer für Bildung und die Bekämpfung des Antiziganismus eingetreten.

Seit 1981 war ich Mitarbeiterin beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und seit 1991 auch Mitarbeiterin im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg.

Für meine Aktivitäten bin ich mit verschiedenen Ehrungen ausgezeichnet worden: so 1997 mit dem Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg. Auch ist am 25. Oktober 2012 in Berlin eine Stiftung nach mir benannt worden. Ebenso der in Mannheim mit 5.000 Euro dotierte Hildegard-Lagrenne-Preis für engagierte Persönlichkeiten, die sich vorbildhaft für Toleranz, Menschenrechte und Bildungsgerechtigkeit in Mannheim und der Metropolregion Rhein-Neckar einsetzen.

EDUromnja: Danke!

Anmerkung:
Zu den Stiftungsgründern der Hildegard-Lagrenne Stiftung am 25.02.2012 in Berlin gehört auch die Initiative Romane Romnja und EU-Rom e.V..