
Das Virtuelle Dokumentationszentrum
zur Geschichte und Gegenwart von Roma-Frauen in Europa

Gordana Herold
Ein Projekt der Initiative Romane Romnja 2017
Die EDUromnja ist ein virtuelles Dokumentationszentrum, ein Online-Museum zur Geschichte und gegenwärtigen Situation von Roma- und Sinti-Frauen in Europa.
Der Name setzt sich aus den Worten EDU (für Bildung und Unterhaltung) und Romnja (weibliche Form von Roma) zusammen, um zu verdeutlichen, dass sowohl Aspekte der Informationsversorgung als auch der Unterhaltung berücksichtigt werden. Geboten wird eine Sammlung selbstbestimmter sozial-, kultur- und alltagsgeschichtlicher Zeugnisse, illustriert durch Objekte, Fotos, Plakate, Schriftstücke sowie Film- und Tondokumente, die online zur Verfügung stehen.
EDUromnja ist ein virtuelles Konstrukt, das ausschließlich im Netz existiert und Objekte zeigt, die in der Realität kein Teil regulärer Museumsprogramme oder anderer Ausstellungen sind. Dass sie dies NICHT sind, zeigt die Notwendigkeit von EDUromja, denn bisher erhielt die Geschichte und Situation der Sinti- und Roma-Frauen wenig Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Dokumentation und in den regulären Programmen von Museen und Archiven.
EDUromnja ist ein Projekt der Initiative Romane Romnja - eine Initiative, die 2010 von Sinti- und Roma-Frauen gegründet wurde. Sie verfolgt das Ziel, das historische Erbe der Romnja zu bewahren und gleichzeitig neue, authentischere Bilder zu schaffen. Die Initiative Romane Romnja mit ihrem Projekt EDUromnja sieht sich auch als Kompetenzzentrum zur Geschichte und Situation der Roma-Frauen. Einerseits dient es als Instrument zur Erhaltung und Tradierung seiner Inhalte, andererseits umfasst die Arbeit des EDUromja auch die Beratung von Journalisten, Doktoranden und Studenten, die Kooperation mit Universitäten, Stiftungen, Kulturämtern und Verlagen sowie den Austausch mit verschiedenen Archiven und Museen.
Unterstützt wird EDUromnja dabei von einem hochrangig besetzten Team, bestehend aus Wissenschaftlern, Journalisten, Aktivisten und Initiatorinnen aus der Community selbst.
EDUromnja verfolgt den Ansatz, einen realistischen Ausschnitt gesellschaftlicher und kultureller Wirklichkeiten von Sinti- und Roma-Frauen zu zeigen. Durch diese Authentizität und Nähe soll der Besucher motiviert werden, EDUromnja als Informationsquelle und Bildungsinstrument zu nutzen. Auf dieser Basis wird ein interaktiver Dialog zwischen Interessierten ermöglicht. Romane Romnja arbeitet seit vielen Jahren in diesem Bereich und konnte einen reichen Erfahrungsschatz aufbauen. Zu den bisherigen Erfolgen zählen die Gründung des Roma-/Sinti-Frauen-Netzwerkes „Agora“, die selbstkuratierte Ausstellung „Die Vielfalt der Sinti- und Roma-Frauen“ und die Kampagne „Don´t worry be Roma Women“ sowie die Publikation „Wendepunkt“, in der erfolgreiche Roma- und Sinti-Frauen aus ihrem Leben erzählen.
Mit EDUromnja können wir dank diesem Erfahrungsschatz authentische und valide Informationen zur Verfügung stellen, die zeigen, wie vielfältig die Realitäten von Frauen aus der Sinti- und Roma-Community wirklich sind. Bei EDURomnja wird nicht ÜBER Roma- und Sinti-Frauen informiert - HIER sprechen Roma- und Sinti-Frauen selbst. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine spannende und informative Erfahrung mit unserem EDURomnja Museum und Dokumentationszentrum.
Romane Romnja Initiative
Im Auftrag
Gordana Herold
The virtual documentation center for the history and presence of Roma women in Europe
A project of the initiative Romane Romnja © 2016 The EDUromnja is a virtual documentation center; that is, an online museum documenting the history and current situation of Roma and Sinti women in Europe. The name is made up of the words EDU (standing for education and entertainment) and Romnja (the female form of Roma), making it clear that both aspects of information provision and entertainment are taken into account. A collection of self-determined social, cultural, and everyday historical testimonies is illustrated through objects, photos, posters, documents, as well as film and audio documents online. EDUromnja is a virtual construct that only exists online and shows objects which are not part of regular museum programs or other offline exhibitions. This highlights the necessity of EDUromja – because, so far, the history and situation of Sinti and Roma women has received little attention from either scientific documentation or the regular programs of museums and archives. EDUromnja is a project of Romane Romnja, an initiative founded in 2010 by Sinti and Roma women, which aims to preserve the historical heritage of Romnja while creating new, more authentic images. The Romane Romnja initiative, with its EDUromnja project, is also a center of excellence for the documentation of the history and situation of Roma women. On the one hand, it serves as a tool for the preservation and transmission of its contents. On the other, EDUromja’s work includes consulting with journalists, and doctoral and other students, as well as cooperation with universities, foundations, cultural offices, and publishers and interaction and dialogue with different archives and museums. EDUromnja is supported by a high-ranking team of scientists, journalists, and activist initiators from the community itself. EDUromnja pursues the approach of showing a realistic cross section of the social and cultural realities of Sinti and Roma women. Through this authenticity and proximity, the visitor should be motivated to use EDUromnja as an information source and educational tool. On this basis, interactive dialogue between interested parties is made possible. Romane Romnja has been working in this field for many years and has been able to build up a wealth of experience. Achievements so far include the founding of the Roma / Sinti Women’s Network “Agora,” the exhibition “The Diversity of the Sinti and Roma Women,” and the “Don’t worry, be Romnji” campaign, as well as the publication “Wendepunkt,” in which Roma and Sinti women describe their lives. With EDUromnja, thanks to this experience, we can provide authentic and valid information that shows how diverse the realities of women from the Sinti and Roma community really are. EDURomnja does not simply provide information about Roma and Sinti women – here, Roma and Sinti women speak. In this spirit, we would like to wish you an exciting and informative experience with our EDURomnja Museum and Documentation Center. Romane Romnja Initiative on behalf of Gordana Herold

Vorwort von DaMigra e.V.:
DaMigra e.V. - der Dachverband der Migrantinnen*organisationen – ist nicht nur als Kooperationspartnerin des virtuellen Dokumentationszentrum EDUromnja erfreut und gespannt über das Projekt, sondern auch als herkunftsübergreifende Interessensvertretung von Migrantinnen*selbstorganisationen. Romane Romnja ist einer der Mitbegründervereine von DaMigra e.V. und engagiert sich seit Jahren für die Grund- und Menschenrechte von Romnja*. Im Rahmen des Empowermentprojekts MUT wollen wir das Dokumentationszentrum unterstützen, um diese - oft marginalisierte - Arbeit sichtbar zu machen. Sichtbarmachung erfordert aber ökonomische, politische und soziokulturelle Ressourcen, die das MUT-Projekt bündelt. EDURomnja ist ein ertragreiches Beispiel dafür, wie wir unsere gemeinsamen Ziele umsetzen wollen: Das virtuelle Dokumentationszentrum ist ein intersektionales, kritisches und bereicherndes Archiv deutscher aber auch europäischer Verfolgungsgeschichte. Es ist aber auch ein empowerndes vielfältiges Archiv über inspirierende und engagierte Romnja*im Widerstand gegen Rassismus und Sexismus. Geschichtserzählung ist noch bis heute von weißen europäischen Männern dominiert - somit bleibt vieles unerzählt, ungeklärt und unbeachtet. Wir möchten gemeinsam mit Romane Romnja durch das Projekt EDUromnja einen Beitrag dazu leisten diese Wissens- und Geschichtslücken aus der Perspektive von Romnja* zu füllen. HIStory also HER*story entgegenzustellen. EDUromnja ist daher auch nicht nur ein Archiv, das Vergangenem gedenkt, sondern auch über die Kontinuitäten der Verfolgung von Roma und Romnja* im Europa heute mahnt. DaMigra e.V. ist davon überzeugt, dass EDUromnja eine wichtige Ressource feministischer Perspektiven und pädagogischer Expertise ist, von der wir alle in Deutschland profitieren und lernen können.

Dr. Emilia Roig
Vorwort von Dr. Emilia Roig:
Das virtuelle Dokumentationszentrum zur Geschichte und Gegenwart der Roma-Frauen in Europa ist eine längst überfällige Hommage an Frauen, die durch ihre Leistung, ihre Talente und ihren Mut gesamte Communities von Roma und Sinti positiv geprägt haben und prägen. Dieses Projekt leistet einen außergewöhnlichen Beitrag zur Erzählung der Geschichte der Roma und Sinti aus eigener Perspektive, was bisher in Museen, Schulbüchern oder Archiven spürbar fehlt. Dieser Perspektivenwechsel wirkt den üblichen, meistens verzerrten Bildern von Roma-Frauen entgegen und liefert stattdessen neue authentische Darstellungen, die der Vielfältigkeit und Komplexität ihrer Erfahrungen und Persönlichkeiten gerecht werden. Die Initiative Romane Romnja fördert nicht nur die Anerkennung der Arbeit von Roma-Frauen im öffentlichen Raum - wie etwa von Schriftstellerinnen, Künstlerinnen oder Akademikerinnen - sondern würdigt auch die Leistungen zahlreicher Frauen in privaten Sphären. In diesem Sinne ist die Wertschätzung der Arbeit aller Frauen äußerst wichtig, weil die übliche Abwertung der emotionalen und reproduktiven Arbeit, die viele Frauen über Generationen hinweg innerhalb von Haushalten und Familien leisten, zur strukturellen Diskriminierung und Benachteiligung von Roma-Frauen in Europa beiträgt. Nicht zuletzt bietet diese Sammlung von einzigartigen Biographien eine hervorragende Quelle von Role Models für Roma-Frauen und -Mädchen, die ihnen für ihr Empowerment als Inspiration dienen kann. Die beeindruckende Arbeit von der Initiative Romane Romnja ist ein Beweis dafür, dass wir alle viel davon lernen können, wenn Romnja ihre Geschichte selbst erzählen. Ich hoffe, dass der virtuelle Besuch Ihnen genauso viel Spaß machen wird wie mir!
Dr. Emilia Roig Expertin für intersektionelle Rassismusforschung

Beata Bislim Oláhová
Business Administration (MBA)
Vorwort von Beata Bislim Oláhová:
Preface
In the past decade, developments for Roma integration issues have been brought to the fore. First, the increasing attention at European and international level led to adoption of the EU Framework for National Roma Integration Strategies2 up to 2020. Both the Decade of Roma Inclusion 2005-20153 and the EU Framework for National Roma Integration Strategies aim to support the social inclusion of Roma. It goes without saying that gender equality and issues of Roma girls and women have gained attention. Despite the above, Member States have paid scant attention to the issues related to gender equity. EU Council Conclusion from 2011 recommended that “Special attention should be paid to the interests and difficulties of Roma women and girls, who face the risk of multiple-discrimination, and thus a gender perspective needs to be applied in all policies and actions for advancing Roma inclusion.4 Today, because access to information has evolved, managing information and online education is gaining a significant role; emphasis on online archive as developed by EDUromnja the virtual documentation center and museum for the history and presence of Roma women in Europe as a source of historical and current developments can highly contribute to integrity of Roma women, trustworthiness and knowledge sharing about the past as well as present achievements and the situation of Roma women.
The Challenges
Any attempt to deal with the problem demands an adequate understanding of the challenges that existed in the history as well as in the new millennium. The challenges of the past, the “tears of blood” as the Romani poet Papusza described in her book, have led to loss of thousands of Roma lives during the holocaust era, which should not be forgotten. Young generations of Roma must be educated about the painful past of their ancestors that history shall never repeat again. The challenges of today still include systematic discrimination of Roma and the data suggest that disadvantaged Romani girls and women are particularly sensitive as they are more vulnerable to trafficking, forced labor, debt bondage, child labor or forced prostitution in this era. There is little information about Roma in school curriculum if so in negative connotation; the mainstream media reinforces the negative discourse about Roma and suggests very little positive examples. However, thanks to smart technology, online information is nowadays easily accessible and it has gained popularity; access to positive examples and stories about Roma women-girls can reverse the negative image of Roma.
Searching for a solution
This is why the EDUromnja the virtual documentation center and museum is so important. It’s more than cultural enrichment; it’s a representation of Roma women across the globe, created to educate the unknown, to connect the disconnected, and to voice the disregarded. History has showed that most prominent poets among Roma were the women5. Let the platform be a voice that shares the past and the future in the name of Roma women-girls advancement! In conclusion, I quote from the poem Tears of Blood:
“No one knows; only the sky, only the river hears our lament. Whose eyes saw us as enemies? Whose mouth cursed us? Do not hear them, God. Hear us! A cold night came, the old Gypsy women sang A Gypsy fairy tale: Golden winter will come, snow, like little stars, will cover the earth, the hands. The black eyes will freeze, the hearts will die”6. Let this beautiful writing prevail with many other cultural heritages that our heroes are never forgotten, but remain and will be cherished by generations to come!

Romane Romnja/ EDUromnja und das Museum Lichtenberg
Die Ausstellung der Initiative "Romane Romnja" mit dem Titel "Die Vielfalt der Sinti und Roma in Deutschland" wurde im Lichtenberger Museum im Stadthaus vom 20. Oktober 2016 bis 8. Januar 2017 gezeigt. Sie fand bei zahlreichen Besucher*innen Interesse, auch die lokale und Berliner Presse berichtete. Zur Eröffnung war der deutschlandweit bekannte Historiker Prof. Wolfgang Benz zugegen und stellte sein Buch "Sinti und Roma – die unerwünschte Minderheit. Über das Vorurteil Antiziganismus" vor. Anschließend führten er und die Journalistin Gilda Horvath ein aufschlussreiches Podiumsgespräch. Dabei zeigten sich einerseits das große Interesse der Besucher*innen, auf der anderen Seite aber auch, wie wenig über die Probleme deutscher und auch zugewanderter Sinti und Roma bekannt ist.
Seit 2016 betreibt das Museum Lichtenberg historische Forschungen, mit denen der Umgang der kommunalen Verwaltung des Bezirkes Lichtenberg mit der Minderheit analysiert werden soll. Dazu hatte die Bezirksverordnetenversammlung Berlin Lichtenberg 2015 einen Beschluss gefasst. Die historische Analyse ist jedoch nicht auf den Nationalsozialismus begrenzt. Wie in vielen Teilen Berlins wohnten Sinti und Roma schon damals in Lichtenberg und auch in unmittelbarer Nähe des heutigen Museums Lichtenberg. Ab 1936 befand sich in Verwaltungsbezirk Lichtenberg das Zwangslager Marzahn, in dem bis 1945 Sinti und Roma ohne gültige Rechtsgrundlage interniert waren. Auch die Zeitspanne nach 1945 bis in die Gegenwart soll untersucht werden. Die DDR-Behörden be- und verhinderten Jahrzehnte die Entschädigung von Opfern und erst 1986 kam es durch die Initiative des Bürgerrechtlers Reimar Gilsenbach am historischen Ort zur Errichtung eines Gedenkortes. Er hatte sich zuvor auch über Jahrzehnte mit einigem Erfolg für die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern eingesetzt.
Durch den Zustrom von Roma aus Südosteuropa gelangten 1990 die Probleme der Minderheit in die Öffentlichkeit Lichtenbergs. Mit Zügen kamen Tausende Flüchtlinge auf dem Lichtenberger Bahnhof an und fanden keine Bleibe, so dass sie für einige Zeit auf dem Bahnhof übernachten mussten, bis Unterkünfte bereit gestellt werden konnten. Gleiches wiederholte sich einige Jahre später erneut. Die Lichtenberger Verwaltung sorgte nun auch dafür, dass die mit angereisten Kinder in Schulen untergebracht werden konnten.
All diese geschichtlichen Vorgänge und Ereignisse sollen untersucht, dokumentiert und zu einer Ausstellung zusammen gefasst werden. Sie soll 2018 fertig sein.
Bis dahin werden weitere Ausstellungen und Veranstaltungen im Museum stattfinden. Am 27. Januar 2017 eröffnet die Ausstellung "Die nationalsozialistische Verfolgung der Sinti und Roma in Berlin", die vom Landesverband deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e.V. übernommen wird. Am 8. Februar 2017 wird der Film der österreichischen Dokumentarfilmerin Iovanka Gaspar "Dui Rroma - zwei Generationen, eine Geschichte" gezeigt. Weitere Veranstaltungen werden 2017 auch dem gegenwärtigen Leben von Sinti und Roma Aufmerksamkeit schenken.
Der beste Weg, um Aufmerksamkeit für die Belange von Minderheiten zu erreichen, führt in Zeiten der Internetkommunikation über Webseiten. So ist es geradezu natürlich und evident, dass mit EDUromnja ein Forum für Roma Frauen und mit ihm ein virtuelles Museum und Dokumentationszentrum entsteht. Als Leiter eines Museums bin ich noch immer an historischen Zeugnissen in Form von Dokumenten und Gegenständen interessiert. Aber nicht nur die Gegenwart und die Alltagswelt verändern sich, sondern auch die Museen. Vieles, das in der Vergangenheit in Form von materiellen Zeugnissen die Lebenswelten wiedergab, verbreitet sich heute schnell auf Datenkanälen und erreicht viele Interessierte. Das alles kann digital gespeichert werden. Die Zukunft des historischen Gedächtnisses wird also zu einem großen Teil virtuell sein. Es wird die Wirkungen festhalten, die von der vernetzen Welt auf das reale Leben ausgegangen sind. In diesem Sinne ist EDUromnja auch aus meiner Sicht ein Vorhaben, dem ich große Wirkung wünsche, so dass zukünftig gesagt werden kann, es hat zur Veränderung des Lebens der Sinti- und Romafrauen und auch vieler anderer Menschen beigetragen.
Dr. Thomas Thiele (Museumsleiter/ Museum Lichtenberg/ Berlin)